Wer hat im alten Österreich (- Ungarn) eigentlich das Militärwesen geleitet bzw. verwaltet?

1. HOFKRIEGSRAT (ung. Udvari Haditanács) 1556 - 1848
Bis zum Jahr 1556 gab es keine Trennung zwischen politischer und militärischer Verwaltung.
1556, während der Regierungszeit von Kaiser Ferdinand I, wurde der "Stette Kriegsrath" gegründet und 1664 in "Hofkriegsrath" umbenannt.
Er hatte seinen Sitz in Wien, wurde von einem Präsidenten geleitet und leitete und verwaltete das habsburgische Militärwesen, die "Kaiserliche Armee" (Ausnahme: 1742-1745, da hieß sie "Königliche Armee", weil die Habsburger kurzzeitig den Kaiserthron verloren hatten).
Diese "Kaiserliche Armee" war nicht ident mit der "Reichsarmee" (Kreistruppen) oder den Truppen der Reichsstände (Reichsfürsten).
Mit der habsburgischen Länderteilung von 1565 gab es für rund 200 Jahre einen zweiten "Hofkriegsrath" für Innerösterreich in Graz.
1801 wurde der Präsident in "Kriegsminister" umbenannt.

Sitz (1776-1848): Wien, Platz Am Hof 17 (heute Am Hof 2), Bognergasse 4–6 und Seitzergasse 1–3.
Zwischen der Kirche Am Hof und der Bognergasse.

Hofkriegsratsgebude Am Hof Wien 1775

                                              Hofkriegsratsgebäude am Hof in Wien 1775


2. K. K. KRIEGSMINISTERIUM 1848 - 1867
1848 wurde der "Hofkriegsrat" in "k. k. Kriegsministerium" umbenannt.
1851-1861 trug es den Namen "Armeeoberkommando", dann wieder "k. k. Kriegsministerium".
1849 wurde diesem das Kronland "Militärgrenze" unterstellt, 1850 die neugegründete Gendarmerie.
Von 1862-1865 gab es ein eigenes "Marineministerium", das danach dem "k. k. Kriegsministeriums" als Marinesektion eingegliedert wurde.

Das "k. k. Kriegsministerium" war auch die Schnittstelle zwischen Kaiser, Regierung, Armee, Marine und ab 1861 auch dem Parlament (Reichsrat).

Sitz (1848-1867): Wien, Platz Am Hof 17 (heute Am Hof 2), Bognergasse 4–6 und Seitzergasse 1–3.
Zwischen der Kirche Am Hof und der Bognergasse.

 

AUSGLEICH 1867
1867 wurde der "Ausgleich" geschlossen, der den Habsburgerstaat ("Kaiserthum Österreich") in zwei Staaten teilte. Lediglich die Dynastie, die Außenpolitik und die "gemeinsame Armee" und Marine waren noch gemeinsame Angelegenheit. Alles andere wurden den beiden Teilstaaten "Österreich-Ungarns" übertragen.
Die "gemeinsame Armee" und Marine (ab 1889 k. u. k.) blieb zwar der wichtigste Teil der gesamten "Bewaffneten Macht", aber auch die beiden Teilstaaten gründeten eigene Armeen, "Landwehren" genannt. Jede dieser drei Armeen wurde von einem eigenen Ministerium geleitet. D.h. es gab von 1868-1918 drei Heeres-Ministerien nebeneinander.


3. K. U. K. KRIEGSMINISTERIUM (ung. Birodalmi Hadügyminisztérium) 1867 - 1918

Mit dem "Ausgleich" von 1867 wurde das "k. k. Kriegsministerium" in ein gemeinsames "Reichskriegsministerium" für beide Reichshälften umgewandelt. Auf Druck aus Ungarn hin wurde es ab 1874 als "Gemeinsames Kriegsministerium" bezeichnet und ab 20. September 1911 als "k.u.k. Kriegsministerium" ("Császári és Királyi Hadügyminisztériumra").
Analog dazu änderten sich auch die Bezeichnungen der jeweiligen Minister.

Ihm unterstand die "gemeinsame Armee", die etwa 82% der Soldaten der "Bewaffneten Macht" umfaßte. Ab 1889 wurde sie auch (vereinzelt) als "k. u. k.-Armee" bezeichnet.
Die "k. u. k.-Marine" wurde von der Marinesektion dieses Ministeriums verwaltet.

Finanziert wurden das "k. u. k. Kriegsministerium" und die "Gemeinsame Armee" und Marine über das (gemeinsame) "K. u. k. Finanzministerium" beider Reichshälften.

Bis 1876 war ihm auch die "k. k. Gendarmerie" in "Cisleithanien", Siebenbürgen und Kroatien-Slawonien unterstellt.

Sitz: (1867-1912): Wien, Platz Am Hof 17 (heute Am Hof 2), Bognergasse 4–6 und Seitzergasse 1–3.
Zwischen der Kirche Am Hof und der Bognergasse.
(1912-1918): Wien, Regierungsgebäude, Stubenring 1

 

Wien Regierungsgebude Stubenring 1

                                          K. u. k. Kriegsministerium am Stubenring in Wien

 

4. K. K. MINISTERIUM FÜR LANDESVERTEIDIGUNG (vulgo Landwehrministerium) 1868 - 1918
Es wurde 1868 gegründet. Ihm unterstand die ebenfalls 1868 gegründete "k. k. Landwehr" der cisleithanischen Reichshälfte (vulgo Österreich).

Die "k. k. Landwehr" umfaßte etwa 9% der Soldaten der "Bewaffneten Macht".

Diesem Ministerium unterstand ab 1876 auch die "k. k. Gendarmerie".

Finanziert wurden das "k. k. Ministerium für Landesverteidigung", die "k. k. Landwehr" und die "k. k. Gendarmerie" über den Staatshaushalt Cisleithaniens, amtlich "Die im Reichsrath vertretenen Königreiche und Länder", vulgo Österreich.

Sitz: Wien, Babenbergerstraße 5

 

Ehemaliges k.k. Landwehrministerium in der Babenbergerstrae 5

                       k. k. Ministerium für Landesverteidigung in der Babenbergerstraße in Wien



5. K. U. HONVÉDMINISTERIUM (ung. Magyar Királyi Honvédelmi Minisztérium) 1868 - 1918
Es wurde 1868 gegründet. Ihm unterstand die ebenfalls 1868 gegründete "königlich ungarische Landwehr" (ungarisch: "Magyar Királyi Honvédség"), oft nur "Honvéd" genannt, der transleithanischen Reichshälfte (vulgo Ungarn).
Die "k. u. Landwehr" (inkl. der "k. s. Landwehr") umfaßte etwa 9% der Soldaten der "Bewaffneten Macht".

Diesem Ministerium unterstand auch die 1881 gegründete "königlich-ungarischen (k.u.) Gendarmerie" (ung. Magyar Királyi Csendőrség).

Finanziert wurden das "k. u. Honvédministerium", die "k. u. Landwehr", die "k. s Landwehr", die "k. u. Gendarmerie" und die "k. s Gendarmerie" über den Staatshaushalt Transleithaniens, amtlich "Die Länder der Heiligen Stephanskrone", vulgo Ungarn.

Sitz: Ofen (ung. Buda) bzw. ab 1873 Budapest, I. Bezirk, St. Georgs-Platz 3, St. Georg-Straße 1, Theater Straße 2.

Magyar Kirlyi Honvdelmi Minisztrium

                                    k. u. Honvédministerium am St. Georgsplatz in Ofen (Buda)

 


Die "kroatisch-slawonischen Landwehr" (k. s Landwehr) und damit auch die "k. s Gendarmerie" unterstanden nicht dem "k. u. Honvédministerium", sondern direkt dem Ban (Statthalter) in Agram.


BEWAFFNETE MACHT
"Gemeinsame Armee" ("k. u. k. Armee"), "k. u. k. Marine", "k. k. Landwehr", "k. u. Landwehr", "k. s. Landwehr" sowie "k. k. Gendarmerie", "k. u. Gendarmerie", "k. s Gendarmerie" und "bosnisch-hercegowinische Gendarmerie" bildeten gemeinsam die "bewaffnete Macht".


Manche habsburgische Kaiser, z.B. Kaiser Franz Joseph, führten selbst den Oberbefehl, in der Praxis waren aber Hofkriegsrat und Kriegsministerien bestimmend.