Eine meiner Ururgroßmütter war die Bäuerin Maria-Anna GOLLONITSCH (* 23. Okt. 1817 in Gemeinlebarn Nr. 9, oo am 28. Mai 1847 in Kapelln mit Johann Wutzl, + 5. Aug. 1860 in Etzersdorf Nr. 18). Ihre Namenslinie läßt sich wiederum bis zu ihrem Ururgroßvater Leopold GOLLANIZ zurückverfolgen.

Dieser Leopold GOLLANIZ hat am 20. Nov. 1712 in Reidling im Tullnerfeld die einheimische Binderstochter Eva Rosina Barbara PRACHERIN (* ca. 1691 , + 7. Okt. 1761) geheiratet.
https://data.matricula-online.eu/de/oesterreich/st-poelten/reidling/01%252C2%252C3%252F02/?pg=291

Dieser Hochzeitseintrag (Trauungsmatrik II, Seite 16) hat mir lange Kopfzerbrechen bereitet. Denn die Eltern der Braut (Ferdinand und Rosina) wurden genannt, beim Bräutigam aber nur, daß er ein Findelkind, "deß Leopold GOLLANITZ von Preßburg Göttse gefundenes Kindt" war.

Warum war da keine Frau des Adoptivvaters erwähnt?

Ich war ratlos - zwei Jahre lang.

Und dann fiel mir das Geschichtchen über die zweite Wiener Türkenbelagerung 1683 und den wackeren, aus einem kroatischen Adelsgeschlecht stammenden und dem Malteser-Ritterorden angehörigen, Bischof von Wiener Neustadt, Leopold Graf KOLLONITSCH (* 26. Okt. 1631 in Komorn (slowak. Komárno, ung. Komárom, serb. Коморан (Komoran), lat. Camarum, Comaromium in Ungarn), † 20. Jän. 1707 in Wien) ein. Dieser war nicht (wie sein Wiener Amtsbruder) vor den herannahenden Türken nach Westen geflohen, sondern nach Wien geeilt und hatte hier viel zur Organisation der Verteidigung und zur Aufrechterhaltung der Ordnung beigetragen. U.a. hat er die Wiener Klöster gezwungen ihre Häuser für die Verwundeten und Kranken zu öffnen, gegen den Preiswucher gekämpft usw.

Nach dem Sieg des deutsch-polnischen Entsatzheeres hat er ca. 500 Waisenkinder gesammelt und sich um deren Erziehung und Ausbildung gekümmert.
1685 wurde er zum Bischof von Raab (ung. Győr, slowakRáb, serb. Đur, lat. Iaurinum, türk. Yanikkale) ernannt, 1686 zum Kardinal und 1695 zum Erzbischof
von Gran (ung. Esztergom, slowak. Ostrihom, lat. Solva, latinisiert Strigonium) und Primas von Ungarn.

Und plötzlich kam Licht in die Sache. Denn der Sitz des Erzbischofs von Gran war durch die türkische Besatzung bedingt nach Preßburg (slowak. Bratislava, früher Prešporok und Prešpurek, ung. Pozsony, kroat. Požun, lat. Pos(s)onium, griech. Istropolis und Danubiopolis) verlegt worden. Leopold Graf KOLLONITSCH amtierte also in Preßburg.

Ich habe den Fall inzwischen auch dem Experten des Wiener Diözesanarchives Herrn Dr. Johann Weißensteiner vorgetragen und auch er ist meiner Meinung, daß die Theorie, mein Vorfahr Leopold GOLLANIZ wäre eines dieser Waisenkinder gewesen, sehr plausibel ist. Die kleineren Kinder, die sich nicht an ihre Namen erinnern konnten, erhielten neue Namen - manche logischerweise den ihres Adoptivvaters Leopold Graf KOLLONITSCH. Die Geschichte paßt zeitlich und namentlich. GOLLANIZ und KOLLONITSCH sind Schreibvarianten eines Namens, der Bischof war natürlich nicht verheiratet und deshalb wird auch kein Name einer Adoptivmutter in der Hochzeitseintragung erwähnt. Bei der Hochzeit 1712 war Leopold Graf KOLLONITSCH tatsächlich bereits gottselig (verstorben).

Nie hätte ich mir träumen lassen, daß das Geschichtchen über den wackeren Bischof, das ich schon in der Volksschule gehört habe, zu meiner eigenen Familiengeschichte gehört.

Viele Ahnenforscher suchen nach adeligen und/oder berühmten Vorfahren. Solche habe ich bisher nicht gefunden. Aber dafür haben ich einen Kardinal und Erzbischof unter meinen Vorfahren – wenn auch nicht biologisch, so immerhin rechtlich!

 

Lesen Sie dazu auch Die Sieger von Wien

 

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