Um sich gegen Kritik zu wappnen haben sich die DNA-Firmen bzw. ihre Propagandisten (Mitarbeiter) und auch manche Nutzer eine Reihe von verharmlosenden "Erklärungen" einfallen lassen, warum ein DNA-Test ja "völlig harmlos" sei.

Ich versuche sie hier aufzulisten und zu analysieren:

 

1. BLUTSPENDEN

Behauptung: Auch bei jeder Blutspende gebe ich meine DNA aus der Hand, da ist kein Unterschied zu einer genealogischen DNA-Probe.

Analyse: Natürlich enthält auch jede Blutzelle (außer den roten Blutkörperchen - Erythrozyten und den Thrombozyten - Blutplättchen) das gesamte Genom.
Und natürlich könnte man auch damit das gesamte Genom eines Menschen entschlüsseln.
Der - (für mich) wichtige - Unterschied liegt im Empfänger.
In Österreich nimmt im wesentlichen das "Österreichische Rote Kreuz" Blutspenden ab und liefert sie an die Krankenhäuser, wo diese Blutkonserven benötigt werden. Blutspender bekommen sogar schriftliche Nachrichten wann, in welchem Krankhaus und wofür (Unfallversorgung, Operation usw.) die Blutspende verwendet worden ist.

Das "Österreichische Rote Kreuz" ist eine fast 140 Jahre alte hochangesehene und nicht auf Gewinn ausgerichtete Gesellschaft, im Verband der hochangesehenen internationalen Rot-Kreuz Bewegung.
Da die österreichischen Sanitätsgesetze sehr streng sind, wird es, wie alle anderen Gesundheits-Einrichtungen auch von staatlichen, ländereigenen und kommunalen Behörden überwacht, ohne daß bisher nennenswerte Verfehlungen bekanntgeworden wären.

Dagegen ist eine überseeische DNA-Firma, der ich meine DNA-Probe einsende, höchstens einige Jahre alt, ich weiß nicht wirklich viel über sie, außer, daß sie natürlich kommerziell ausgerichtet ist. Und ich weiß in der Regel auch nicht, wie die Gesetze dort lauten, was die Firma also mit meinem Testergebnis tun darf und welche Sanktionen bei Verstößen drohen. Viele dieser DNA-Firmen haben auch Filialen in Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas, wo es oft überhaupt keine gesetzlichen Regeln dafür gibt.

Ich halte diese Unterschiede für wichtig.

Weiters spielt hier auch der Verwendungszweck (für mich) eine Rolle.
Mit einer Blutspende kann ich ein Menschenleben retten.
Mit einem DNA-Test kann ich möglicherweise andere Nachkommen einer meiner Ururgroßmütter finden.
Diesen Unterschied muß ich wohl nicht näher erläutern.

 

2. GEHEIMDIENSTE

Behauptung: Wenn ein Geheimdienst die DNA eines Menschen haben will, dann bekommt er sie auch.

Analyse:
Das ist völlig richtig!
Es reicht ein Glas, aus dem man getrunken hat und ein benutztes Taschentuch, überall kleben Körperzellen an. Und mit denen kann man das Genom analysieren.
Nur, warum sollten Geheimdienste das bei einem normalen Menschen machen?
Da müßten ja sehr schwerwiegende Gründe für so eine Maßnahme vorliegen, denn solche Maßnahmen sind aufwändig und teuer.
Wenn man seine DNA-Daten aber freiwillig und auf eigene Kosten analysieren läßt und anschließend ins Netz stellt, dann werden die Geheimdienste sie freilich für ihre Zwecke benützen. Dazu gibt es ja inzwischen genügend Beispiele, wo das geschehen ist.


3.GESUNDHEITSVORSORGE

Behauptung: DNA-Analysen gibt es auch in der Medizin, dienen der vorbeugenden Behandlung genetisch bedingter Krankheiten und zur Verhinderung von Erbkrankheiten. Warum sie also nicht auch in der Genealogie anwenden?

Analyse: Der erste Satz hier stimmt 100%ig. Wer den Verdacht hat, daß in seiner Familie genetisch vererbbare Krankheiten vorkommen, sollte das durchaus durch einen DNA-Test abklären lassen, um nötigenfalls rechtzeitig die Auswirkungen bekämpfen zu können.
Allerdings werden solche Tests von inländischen Krankenhäusern und Labors durchgeführt, die ausnahmslos den strengen österreichischen Gesetzen unterliegen und von den Behörden dahingehend überwacht werden. Die Auswertungen dieser Tests werden auch ausnahmslos nur den Testpersonen bzw. deren gesetzlichen Vertretern (Eltern, Vormünder, Sachwalter) bekanntgegeben und natürlich niemals ins Netz gestellt.
Ich brauche diesen Unterschied zu den genealogischen DNA-Tests bei Firmen in Übersee wohl nicht weiter zu erläutern.

4. TEILDATEN

Behauptung: Diese genealogischen DNA-Firmen analysieren ohnehin nur kleine Abschnitte der DNA, nicht das ganze Genom. Das ist nicht gefährlich.

Analyse: Ersteres ist richtig. Diese Firmen analysieren nicht alle 46 Chromosomen, sondern nur kleine Abschnitte davon.
Sie erhalten mit dem eingesendeten Wattestäbchen aber das gesamte Genom, könnten also alles analysieren.
Manche dieser Firmen arbeiten auch mit der medizinisch-pharmazeutischen Industrie zusammen und geben DNA-Daten an diese weiter. Das kann der Kunde zwar bei der Bestellung verbieten, aber viele werden das wohl gar nicht gelesen haben und damit gehen ihre DNA-Anaysen auch an die großen medizinisch-pharmazeutischen Konzerne.
So hat die kalifornische DNA-Test Firma 23andme im Juli 2018 für 300 Mio US-Dollar eine Vertrag mit dem britischen Pharmakonzern GlaxoSmithKline geschlossen, die nun die Daten der fünf Millionen Kunden von 23andme für profit-orientierte Forschung verwenden darf:
Pharmakonzern GlaxoSmithKline steigt bei Gentest-Firma 23andMe ein
https://www.handelsblatt.com/unternehmen/industrie/zugang-riesiger-dna-datenbank-pharmakonzern-glaxosmithkline-steigt-bei-gentest-firma-23andme-ein/22842460.html

Im übrigen reichen schon diese wenigen analysierten DNA-Abschnitte, zur Personen-Identifizierung, wie die Beispiele der jüngsten Zeit gezeigt haben.

 

5. FACEBOOK, GOOGLE & CO.

Behauptung: Wer auch bei Facebook, Google und Co. teilnimmt, der wird auch umfassend ausspioniert. Und damit kann man auch ruhig einen DNA-Test machen, da es ja ohnehin schon egal ist.

Analyse: Facebook, Google, Twitter, Linkeldn, Pinterest und Co. sammeln penibel alle Äußerungen und Handlungen ihrer "Kunden", speichern sie langfristig, werten sie aus und verkaufen sie an interessierte Kunden. Stimmt!
Deshalb sollte man ja auch, wenn man Facebook/Twitter/Linkeldn &. Co. nutzt, sehr vorsichtig mit seinen persönlichen Angaben (besser minimalistisch) und seinen Äußerungen sein. Und natürlich kann man bei allen diesen "Datenkraken" mit "Scheinabfragen" bzw. "Scheinhandlungen" durchaus das Konzept zur Erstellung eines Persönlichkeits-Profiles durcheinander bringen.

Ein kleines Beispiel dazu:
Diese Datenprofile werden u.a. auch an politische Gruppen verkauft. Wenn ich nur eine Partei oder politische Gruppe bei Facebook "like" (ein schreckliches Wort!), dann ist für die Firma klar, mit wem ich sympathisiere. Tue ich das aber bei mehreren oder allen, dann wird die Auswertung, da widersprüchlich, gestört.

Das alles funktioniert bei einer DNA-Probe nicht. Hier greift kein Versuch sich zu verstellen. Was im Genom drinnen steht, steht drinnen. Punkt!
Und es sagt über mich auch wesentlich mehr aus, als jedes Facebook- oder Google-Persönlichkeitsprofil. Man kann damit meine Anfälligkeit für (körperliche - und psychische) Krankheiten genauso ablesen, wie beispielsweise meine Haar- oder Augenfarbe. Die Auswertungs- und Analysemöglichkeiten sind schon heute enorm und täglich kommen neue Erkenntnisse darüber dazu.

Und schließlich betrifft diese Überwachung bei Facebook und Co. nur mich persönlich. Solange man das dort nicht angibt, kann man damit weder zu Eltern, Geschwistern, Cousins, Kindern, Neffen, Nichten finden.
D.h. die sind dann vom möglichen Mißbrauch dieser Daten nicht betroffen.
Verhalte ich mich dort falsch, dann muß nur ich mit den möglichen negativen Folgen leben.
Mittels DNA-Test kann man dagegen ganz leicht nahe Verwandtschaft feststellen. Hier sind also immer auch alle nahen Verwandten betroffen - über 3-4 Generationen hinweg.

 

6. ÜBERWACHUNG

Behauptung: Heutzutage ist die Überwachung ohnehin schon allgegenwärtig, da ist es auch schon egal, wenn ich auch meine DNA veröffentliche.

Analyse: In der Tat hat die flächendeckende Überwachung aller Menschen in den letzten ca. 30 Jahren ungeheure Dimensionen angenommen.
- jedes Telefongespräch und jede E-Post (Mail) wird aufgezeichnet und (maschinell) analysiert - und zwar gleich von mehreren Institutionen
- in vielen Städten ist die Kamera-Überwachung des öffentlichen Raumes sehr weit fortgeschritten. In Kombination mit Gesichtserkennungs-Software und Vermummungsverbot kann man daher in manchen Städten eine Zielperson von einer Überwachungszentrale aus bequem und lückenlos bei ihrem Weg durch die Stadt verfolgen.
- Ohne Fingerabdruck bekommt man keine Reisepaß mehr
- jede Kundenkarte, die ich nutze, dient dazu meine Konsumgewohnheiten zu analysieren
- usw.

Trotzdem steht die DNA-Analyse damit nicht auf derselben Stufe. Ihre Auswertungsmöglichkeiten sind ungleich größer und weitreichender.
Und schließlich stellt sie ja eine - weitere (zusätzliche) - Überwachungsmöglichkeit dar, die man vermeiden könnte.

 

7. PFLICHT

Behauptung: Flächendeckende DNA-Analysen werden ohnehin schon bald Pflicht werden. Also ist es auch schon egal, wenn ich das auch für meine Ahnenforschung benütze.

Analyse: Ja, das ist nicht auszuschließen.
Der Golfstaat Dubai hat 2018 angekündigt, die DNA aller seiner drei Millionen Einwohner (Staatsbürger wie Ausländer) testen zu lassen und in einer zentralen Datenbank zu speichern, um genetische Krankheiten zu verhindern.
Wie "genetische Krankheit" dort definiert wird und wie man sich konkret die "Verhinderung" genetischer Krankheiten vorstellt (Fortpflanzungsverbot? Zwangs-Sterilisation? usw.), wurde bislang nicht bekanntgegeben.

Dubai ist eine absolute Monarchie (Königsdiktatur), ohne Volksvertretung (Parlament). Damit kann man dort so eine Maßnahme leicht durchsetzen. Zudem ist es eines der reichsten Länder der Welt und kann das auch finanzieren.

In einer europäischen Demokratie wäre es wohl nicht so einfach, flächendeckende DNA-Tests zwangsweise durchzusetzen. Da würden wohl Millionen dagegen aufstehen und protestieren. Deshalb teile ich die Einschätzung, daß in 5 oder 10 Jahren DNA-Tests ohnehin auch bei uns Pflicht sein werden, nicht.
Bzw. ist es unsere Entscheidung es zu verhindern.

Es ist eine Tatsache, daß auch manche demokratische Staaten manche Bevölkerungsgruppen systematisch DNA-mäßig analysieren. Von Kanada wissen wir, daß alle Immigranten DNA-Proben abgeben müssen, die dann u.a. auch mit genealogischen DNA-Datenbanken verglichen werden. Auch in Europa gab es schon ähnliches. Allerdings wurden und werden diese Daten dann anschließend wieder gelöscht.

Weiters nehmen die Krankenhäuser in manchen Regionen Neugeborenen automatisch Blut ab und heben diese Blutproben langfristig auf. Allerdings verlassen diese Blutproben nie das Krankenhaus, werden in der Regeln nie DNA-mäßig getestet und damit können auch keine Auswertungen im Netz landen.

 

8. RECHTSCHAFFENE BÜRGER

Behauptung: Von vielen Forschern hört man das "Argument": "Ich bin ein rechtschaffener Bürger, habe immer ehrlich gelebt, mir nie etwas zu schulden kommen lassen und das erwarte ich auch von meinen Nachkommen. Ich habe daher keine Angst davor, daß die "Obrigkeit" meine DNA kennt, ich habe ja nichts zu verbergen."

Analyse: Nun das klingt gut, solange man in eine Demokratie mit funktionierendem Rechtsstaat und einer unabhängigen Justiz lebt.

Es ist erst 29 Jahre her, daß an den österreichischen Grenzen die kommunistischen Diktaturen zusammengebrochen sind (1989). Die haben flächendeckend überwacht und hätten auch flächendeckende DNA-Datenbanken zur besseren Überwachung angelegt, wenn das damals schon möglich gewesen wäre.
Und es ist gerade erst 73 Jahre her, daß die Diktatur der Nationalsozialisten zu Ende gegangen ist (1945). Die hätten DNA-Proben wohl nicht nur zur Überwachnung, sondern auch zur Aufspürung "minderwertiger Rassen" benützt.
Woher wissen wir, ob solche Regime nicht wiederkehren? Auch in Mitteleuropa!
Das ist keineswegs ausgeschlossen. Und dann möchte ich schon gar nicht, daß das Regime meine DNA kennt.
Das gilt natürlich auch für unsere Nachkommen, die beispielsweise in 50 Jahren mit so einem Regime konfrontiert sein könnten. Die könnten dann durch einen genealogischen DNA-Test der Eltern oder Großeltern in große Schwierigkeiten kommen.
Haben die "rechtschaffenen Bürger" das bedacht? Wollen sie das für sich selbst bzw. ihre Nachkommen riskieren?

 

9. VERBRECHERJAGD

Behauptung: Mit dieser Methode kann man Schwerverbrecher enttarnen und aus dem Verkehr ziehen. DNA-Datenbanken dienen also der Sicherheit und sind daher voll zu begrüßen.

Analyse: Ersteres stimmt durchaus - solange man in eine Demokratie mit funktionierendem Rechtsstaat und einer unabhängigen Justiz lebt. 
Lebt man in einer Diktatur, lauten die Definition von Verbrechen oft anders. "Kritik am Diktator/absoluten Monarchen", "das Aufzeigen von Mängeln", "Kritik an der Staatsreligion" und andere Dinge, die uns in Österreich heute erlaubt sind, gelten dort oft als Schwerverbrechen, ja manchmal als todeswürdige Verbrechen.

All das gab es auch schon in Österreich (Staatsreligion, absolute Monarchen, Diktatoren, Festungshaft für das Aufdecken von Mißständen usw.)
Woher wissen wir, ob solche Regime nicht wiederkehren? Auch bei uns!
Es ist erst 84 Jahre her (1934), daß Österreich - aus eigenem Verschulden - in eine Diktatur abgeglitten ist.
Das ist keineswegs ausgeschlossen. Und dann möchte ich schon gar nicht, daß das Regime meine DNA kennt.

 

10. GESCHÄFTSBEDINGUNGEN

Behauptung: Die Geschäftsbedingungen (das sind einseitige Willenserklärungen, die diese Firmen jederzeit ändern oder aufheben können) der DNA-Firmen schützen mich vor dem Mißbrauch meiner DNA.

Analyse: Die Realität der bereits bekanntgewordenen Fälle von Mißbrauch eingesendeter Forscher-DNA spricht gegen diese Behauptung. Sobald man seine DNA-Probe zum öffentlichen Abgleich bereitstellt, egal ob in den Datenbanken der DNA-Firmen oder über eine öffentliche Vergleichsdatenbank ist auch der mißbräuchlichen Verwendung Tür und Tor geöffnet.

Und gegen "Hacken" (illegales Eindringen) gibt es sowieso keinen wirklich 100%igen Schutz.
D.h., wenn eine große Behörde oder sonst eine große Institution den Inhalt einer DNA-Datenbank haben will, wird sie ihn auch bekommen.

Schließlich schützen uns unsere Gesetze auch vor Wohnungseinbrüchen. Die sind bei Strafe verboten, dürften also nicht vorkommen. Da auch hier Theorie und Realität stark divergieren, kenne ich niemanden, der seine Wohnungstüre nicht doch vorsichtshalber zusperrt!

 

Ich lerne immer gerne dazu. Falls jemand also einen logischen Fehler in meinen obenstehenden Ausführungen findet, ist er herzlich dazu eingeladen mir zu schreiben.
Natürlich sind auch Anregungen zu weiteren (neuen) verharmlosenden "Erklärungen" willkommen:
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Betreff: DNA-Genealogie


Wien, im August 2018                                                      Günter Ofner Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein!
                                                     

Weiterführender Artikel: http://www.guenter-ofner.at/index.php/dna-genealogie