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Seit den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts werden mehr und mehr österreichische Firmen an ausländische Großkonzerne verkauft.
Seit dem EU-Beitritt Österreichs am 1. Jänner 1995 hat sich diese Entwicklung beschleunigt und alle Branchen erreicht.
Das betrifft auch Schlüsselunternehmen, wie die größte und die viertgrößte österreichische Bank, die größte Tageszeitung, das größte Telekom-Unternehmen, die größte Fluglinie, die größte Brauerei, die führende Mineralquellenabfüllung, die größten Papierfabriken usw.
Mehr und mehr entscheiden also Konzernzentralen im Ausland über das Schicksal dieser Firmen und damit die Wirtschaftsentwicklung in Österreich.
Nicht selten werden diese Firmen nur gekauft, um sie stillzulegen oder ins Billiglohn-Ausland zu verlagern.

Da ausländische Konzerne auch direkt nach Österreich drängen (Beispiele: IKEA, T-Mobile Austria GmbH, Hutchison Drei Austria GmbH, dm-drogerie markt GmbH & Co. KG, ATV, Mediamarkt) besteht zum Jahresanfang 2020 folgende Situation:

Alle drei großen Telekomfirmen in Österreich (Telekom Austria AG, Magenta GmbH, Hutchison Drei Austria GmbH) befinden sich in ausländischem Mehrheitseigentum.
Ebenso drei der vier privaten Fernsehsender (ATV, ATV II und PULS 4), beide Drogerieketten (dm-drogerie markt GmbH & Co. KG und BIPA GmbH) usw.


Die wichtigsten Firmen, chronologisch nach dem Abverkauf geordnet

 

1985:

Semperit Reifen Ges.m.b.H. (Reifenhersteller, gegr. 1831, 1983 vollkommen verselbständigt) -  1985 Verkauf vom Mehrheitsaktionär Creditanstalt an die deutsche Continental AG Hannover, nachfolgend systematischer Abbau der Belegschaft und 2002 Verlagerung der unverändert profitablen Produktion nach Tschechien, bis 18. Dezember 2009 auch Liquidierung der Produktion in Tschechien und Slowenien.

1987:

Kronen Zeitung (Tageszeitung, gegr. 1900 bzw. 1959) - 1987 zu 50% an die deutsche Funke Medien Gruppe verkauft

 

1988:

Kurier Zeitungsverlag und Druckerei GmbH (Tageszeitung, gegr. 1954) - 1988 zu 49,44% an die deutsche Funke Medien Gruppe verkauft

 

1992:

Schoellerbank (Bank, gegr. 1833, 2020: 350 Mitarbeiter, 3,7 Mrd. Euro Bilanzsumme), Verkauf an Bayrische Vereinsbank AG, 2005 Übernahme durch die italienische UniCredit-Bank.

 

1994:

Atomic Austria GmbH (Skisport-Artikelhersteller, gegr. 1955, 2019: 750 Mitarbeiter) - 1994 erwarb der finnisch-chinesische Konzern Amer nach dem Konkursverfahren die Firma

 

1996:

Billa AG (Lebensmitteleinzelhandel, gegr. 1953, 2016: 18.400 Mitarbeiter, - 1996 Verkauf an den deutschen Konzern Rewe Group)

BIPA Gmbh (Drogerieeinzelhandel, gegr. 1982, 2017: 4000 Mitarbeiter) - 1996 Verkauf an den deutschen Konzern Rewe Group

Merkur AG
(Verbrauchermarktkette, gegr. 1969, 2017: 9.500 Mitarbeiter) - 1996 Verkauf an den deutschen Konzern Rewe Group

Gebrüder Thonet KG
(Möbelhersteller, gegr. 1842) - Verkauf an einen deutschen Investor, 2000 Weiterverkauf an den italienischen Luxusmöbelhersteller Poltrona Frau, 2006 Schließung des unverändert profitablen österreichischen Thonet-Werks und Liquidierung der Firma


Vamed AG (Planung, Errichtung und Betrieb von Gesundheitsprojekten, gegr. 1982, 2016: 8.198 Mitarbeiter und 1,160 Mrd. Euro Umsatz) - 1996 Verkauf von 77% an den deutschen Gesundheits-Konzern Fresenius SE & Co. KGaA

 

1998:

Hotel Imperial (Nobelhotel in Wien, erbaut 1863, seit 1873 Hotel) - 1987 Verkauf an die italienische CIGA Gruppe, 1998 Verkauf an die US-amerikanische Starwood-Hotels-&-Resorts-Gruppe, 2016 Verkauf an die Al Habtoor Group (AHG) aus den Vereinigten Arabischen Emiraten

 

2000:

Bank Austria AG (Bank, gegr. 1991 durch den Zusammenschluß der gemeindeeigenen Wiener Zentralsparkasse mit der der Republik Österreich gehörenden Länderbank, 1998 Kauf der Creditanstalt AG, 2015: 35.534 Mitarbeiter, 193,6 Mrd. Euro Umsatz) - 2000 Übernahme durch die bayerische Hypovereinsbank durch Aktientausch, 2007 erwarb die italienische Großbank UniCredit die bayerische Hypovereinsbank und damit auch die Bank Austria AG.

Neusiedler AG (Papierherstellung, gegr. 1967 bzw. 1793 als Neusiedler Papierfabrik, 2013: 24.400 Mitarbeiter, 6,476 Mrd. Euro Umsatz) - 2000 Verkauf an den südafrikanischen Mondi-Konzern.

2001:

Austria Tabak GmbH (Rauchwarenerzeugung, gegr. 1784, 2016: 380 Mitarbeiter, 2015: 425,01 Euro Umsatz) - ab 1997 privatisiert, 2001 kaufte die britische Gallaher Group alle anderen Anteile, ab 18. April 2007 gehört die Gallaher Group und damit auch die Austria Tabak zu Japan Tobacco International (JTI), Ende 2011, trotz Gewinnen, Schließung der letzten Tabakfabrik in Österreich; seither nur mehr Import und Vertrieb

2003:

Römerquelle GmbH (Mineralwasser, gegr. 1925, ab 1965 GmbH) - 2003 Verkauf an die Coca-Cola HBC Austria AG, bis 2012 in Athen ansässig, seither in der Schweiz

Brau Union Österreich AG  (Bierbrauereien, gegr. 1921, Vorläuferfirmen ab dem 15. Jht., 2013: 2187 Mitarbeiter, 2013: 657,8 Mill. Euro Umsatz) u.a. mit den Marken Gösser, Zipfer, Kaiser, Wieselburger, Puntigamer, Schwechater, Edelweiß, Villacher und Schlossgold (alkoholfrei) - 2003 Übernahme der Aktienmehrheit durch den niederländischen Heineken N.V. AG - Konzern.

2004:

Frantschacher AG (Papier-, Zellstoff und Verpackungshersteller, 480 Mitarbeiter) - 2004 Verkauf an den südafrikanischen Mondi-Konzern.

2007:

BAWAG P.S.K. (Bank, gegr. 1922 bzw. 1947, 2000 Kauf und 2005 Fusion mit der 1882 gegr. staatlichen Österreichischen Postsparkasse AG, 2010: 4000 Mitarbeiter, 42,8 Mrd. Euro Umsatz) - 2007 Verkauf von ca. 90% an den US-Fonds Cerberus Capital Management LP, 2012 Weiterverkauf von ca. 39% an den US-Finanzinvestor GoldenTree Asset Management LP; damit verbleiben 51-52% beim US-Fonds Cerberus Capital Management LP.

Bösendorfer GmbH. (Klavierhersteller, gegr. 1828) - bereits 1966-2002 im Eigentum der US-Firma Kimball International, 2002 an die BAWAG, 2007 mit der BAWAG an den US-Fonds Cerberus, im Dezember 2007 Verkauf an den japanischen Musikinstrumentenerzeuger Yamaha

PULS 4 (Fernsehsender, gegr. 2004) - 2007 verkauft an den internationalen Medienkonzern ProSiebenSat.1 Media SE

 

2009:

Austrian Airlines (AUA) (Fluglinie, gegr. 1957, 2008: 8000 Mitarbeiter, 2014: 6000 Mitarbeiter, 2014: 2 Mrd. Euro Umsatz) - 2009 Verkauf der Staatsanteile um symbolische 366.268,75 Euro an die Deutsche Lufthansa AG, 2010 Zwangsabfindung der Kleinaktionäre und damit direkt und indirekt 100% bei der Lufthansa.
Zur AUA gehören mehrere andere Firmen, die früher eigenständigen Fluglinien Lauda Air (gegr. 1979, übernommen 2002, verschmolzen 2013) und Tyrolean (gegr. 1979, endgültig übernommen 1998, verschmolzen 2015).

FACC (Luftfahrttechnik, 2017: 3402 Mitarbeiter, 750, Mio. Euro Umsatz) - 2009 zu 91,25% an die chinesische Xi’an Aircraft Industrial Corporation

Huber Holding AG (Textil- und Bekleidung, gegr. 1908, 2019: 900 Mitarbeiter, davon 450 in Österreich, 2019: 141 Mill. Euro Umsatz) - Okt. 2005: Verkauf von 24% an die chinesisch-australische "Benger Brands Ltd.", 2009 Verkauf weiterer 26% an diese Firma. In der Folge auch alle anderen Anteile.

 

2011:

Niki Luftfahrt GmbH/Laudamotion GmbH (Fluglinie, gegr. 2003, 2019: 650 Mitarbeiter) - im Januar 2004 übernahm die deutsch-emiratische (VAR) Air Berlin 24 % der Gesellschaft, im Juli 2010 erhöhte sie ihren Anteil auf 49,9 % und im November 2011 auch den Rest. Nach dem Konkurs von Air Berlin (2017) kaufte die österreichische Laudamotion die gesamte Konkursmasse. Bereits im März 2018 gingen 24,69% an die irische Ryanair, die im September 2018 auf 75 % erhöhte und im Dezember 2018 die Gesellschaft zur Gänze übernahm.

2013:

Rosenberger Restaurant GmbH (Autobahnraststätten, gegr. 1972, 2018: 800 Mitarbeiter, 50 Mio. Euro Umsatz) - am 31. Juli 2013 an zwei chinesische Unternehmer-Familien, die anonym bleiben, verkauft. Von Jänner bis Februar 2019 waren die Wiener Unternehmensentwickler Connexio Research & Business Development GmbH kurzzeitig die Eigentümer, dann kaufte der US-Konzern Burger King-(TQSR Holding und Development GmbH) die Firma.

Rudolf Leiner GmbH (Möbelhandel, gegr. 1910, 1016: 2.900 Mitarbeiter) - im Herbst 2013 Verkauf an den südafrikanischen Steinhoff Konzern, im Juni 2018 an die Signa-Gruppe des Tiroler Immobilieninvestors und Unternehmers Rene Benko verkauft

kika Möbelhandelsgesellschaft m.b.H. (Möbelhandel, gegr. 1973, 2015: 4.800 Mitarbeiter, (gemeinsam mit Leiner): 1,265 Mrd. Euro Umsatz) - im Herbst 2013 Verkauf an den südafrikanischen Steinhoff Konzern, im Juni 2018 an die Signa-Gruppe des Tiroler Immobilieninvestors und Unternehmers Rene Benko verkauft

2014:

Telekom Austria AG (Fernmeldedienstleistungen, gegr. 1887, 2014: 16.240 Mitarbeiter, 4,02 Mrd. Euro Umsatz) - bis 1995 staatlich, dann AG, ab Juni 2012 23% der Aktien beim mexikanische Telekommunikationsunternehmen América Móvil, ab Juli 2014 dann rund 51%, im Dezember 2014 bereits 59,7%.

2017:

Diamond Aircraft (Flugzeugbauer, gegr. 1981 als Hoffmann Flugzeugbau, 2017: 1200 Mitarbeiter) - t Dezember 2017 Verkauf an den chinesischen Konzerns Wanfeng Aviation Industry Co., Ltd.

2018:

Wolford AG (Textilhersteller, gegr. 1949 als Wolff & Co. KG, 2017 (durchschnittlich): 1476 Mitarbeiter, 154,28 Mio. Euro Umsatz) - im März 2018 wurden 50,87% an die chinesische Fosun Industrial Holdings Limited verkauft. Im Mai 2018 kaufte Fosun weitere 7%.

Kästle GmbH (Skihersteller, wieder gegr. 2007, 2013: 6 Mio. Euro Umsatz) - im März 2018 Verkauf des Mehrheitsanteils an die tschechische Unternehmensgruppe ConsilSport

Casinos Austria (Glücksspiel, 2017: 1890 Mitarbeiter, 330 Mio. Euro Umsatz) - 2018: 56,7% an die tschechische Sazka-Gruppe, 2020: weitere 17,2%

Alle Leser sind herzlich eingeladen, mir Ergänzungen mitzuteilen und mich auf Fehler und Irrtümer meinerseits aufmerksam zu machen:

Günter Ofner
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Kategorie: Betrachtungen
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