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Im 17. Jahrhundert gab es am Oberrhein noch ein Mosaik von kleinen Herrschaften. Einen Teil davon hatten (seit 1363) die Habsburger bereits an sich gebracht und ließ sie 1379-1753 durch Landvögte in Feldkirch verwalten. Sie gehörten zu Vorderösterreich (Austria Anterior) und wurden von Innsbruck aus regiert. Dort regierten von 1564-1626 habsburgische Statthalter und 1626-1665 eine Nebenlinie der Habsburger als Landesfürsten, die sog. 'Jüngere Tiroler Linie'.
Neben den Habsburgern waren die Grafen von Hohenems, seit 1646 aufgeteilt auf zwei Linien, bedeutend. Sie waren reichsunmittelbar, d.h. nur den Kaisern in Wien unterstellt, aber nicht den Habsburgern in Innsbruck bzw. deren Vögten in Feldkirch. Sie besaßen mehrere Herrschaften, u.a. die Grafschaften Hohenems und Vaduz und die zu Vaduz gehörige Herrschaft Schellenberg.
Vaduz ("die obere Landschaft" im Süden) und Schellenberg ("die untere Landschaft" im Norden) hatten sie 1613 von den verschuldeten Grafen von Sulz für 200.000 Gulden gekauft.
Hohenems war ein bedeutendes wirtschaftliches und kulturelles Zentrum.

Schloss Vaduz 2009

Schloß Vaduz

Wie in anderen Gebieten abseits der großen Zentren tobte auch hier seit dem Beginn der Neuzeit der Hexenwahn. Zahlreiche Frauen und Männer wurden angeklagt, oft gefoltert und viele davon hingerichtet. Die Habsburger in Innsbruck griffen mäßigend ein und konnten bis 1657 die Hexenverfolgung in ihren Gebieten Vorarlbergs beenden (letzte Hinrichtungen 1651). In den Hohenemsischen Gebieten aber ging sie weiter, wobei sie hier als Geschäftsmodell der Grafen eingesetzt wurde. Man klagte wohlhabene Menschen als Hexe/Hexer an und beschlagnahmte ihren Besitz.
Besonders extrem war das in der Grafschaft Vaduz und der Herrschaft Schellenberg, die seit 1646 von den Grafen von Hohenems-Vaduz regiert wurden. Das waren zwei kleine benachbarte Territorien östlich des Rheins mit der Burg von Vaduz und einigen Dörfern rundherum. Alleine in den Jahren 1648-1651 wurden hier etwa 100 Personen hingerichtet. Weitere Prozesse in den 1660er-Jahren, 1675–1676 und schließlich 1679–1680 forderten zahlreiche weitere Opfer.
Zum Vergleich: Nach Manfred Tschaikner, Archivar und Historiker am Vorarlberger Landesarchiv in Bregenz, wurden in den 150 Jahren zwischen 1528 und 1677 auf dem Gebiet des heutigen Vorarlberg mehr als 200 Personen im Zuge der Hexenverfolgung vor Gericht gestellt und davon 122 nachweislich hingerichtet, sieben weitere starben im Kerker, 51 wurden freigesprochen und eine des Landes verwiesen. Bei etlichen Angeklagten ist der Ausgang des Gerichtsverfahrens unbekannt. D.h. die Hexenverfolgung in den kleinen Territorien Vaduz und Schellenberg war weitaus ärger.

Aber die Zeiten hatten sich geändert und die Bevölkerung und sogar der Bruder des damals in Vaduz regierenden Graf Ferdinand Karl von Hohenems wandten sich hilfesuchend an Kaiser Leopold I. in Wien. Diese leitete daraufhin die Reichsexekution gegen den Grafen ein und setzte 1681 den Fürstabt von Kempten Rupert von Bodman als kaiserlichen Kommissar ein. Dieser verbot alle weiteren Hexenprozesse, ließ alle noch inhaftierten Angeklagten frei, erstattete den Opfern das eingezogene Vermögen zurück und gewährte Entschädigungen für das erlittene Unrecht auch an die Erben von Hingerichteten. Dem Grafen wurde 1683 die Hochgerichtsbarkeit entzogen und er wurde verhaftet. 1684 wurde er durch Verfügung des Reichshofrates überhaupt abgesetzt und starb 1686 in Haft.
Sein Nachfolger in der hochverschuldeten Grafschaft wurde sein Bruder Jakob Hannibal. Weder ihm noch dem 1692 wiederum eingesetzten Zwangsverwalter Rupert von Bodman gelang es die Schulden in der Höhe von 190.000 Gulden abzubauen. Die jährlichen Einkünfte in der Höhe von 7.000 bis 8.000 Gulden reichten nicht einmal um die Schuldzinsen zu decken.
Deshalb verkaufte Jakob Hannibal 1699 die Herrschaft Schellenberg am 18. Januar 1699 für 115.000 Gulden an Fürst Johann Adam Andreas von Liechtenstein (Beiname "der Reiche"), einen wichtigen Kreditgeber Kaiser Leopolds. Dabei spielte offenbar die Tatsache eine Rolle, daß der jüngere Bruder des Grafen, Franz Wilhelm II., ein kaiserlicher Offizier, der 1691 in der Schlacht von Slankamen tödlich verwundet wurde, mit einer Prinzessin Liechtenstein verheiratet war. Nur deshalb konnte Fürst Johann Adam wohl die vier weiteren Interessenten knapp überbieten.
Die Huldigung durch die Landammänner und Richter sowie alle volljährigen, waffenpflichtigen Männer der Herrschaft, sie hatte Vertragscharakter ("Schutz der alten Rechte"), fand am 16. März in Bendern statt. Damit war Johann Adam rechtskräftiger Landesherr.

Hans Adam I von Liechtenstein

Fürst Johann Adam I.

Die Liechtenstein, ein niederösterreichisches Uradelsgeschlecht, seit 1608 erbliche erbländische Fürsten, zählten damals zu den reichsten Familien Österreichs. Alleine ihre Besitzungen in Mähren umfaßten 18% der Landesfläche. Aber sie besaßen auch große Grundherrschaften in Niederösterreich, Böhmen usw.
Seit 1630 versuchten sie auch Reichsfürsten zu werden. Das war nur möglich wenn man auch ein reichsunmittelbares Territorium besaß. Die riesigen Ländereien der Liechtenstein lagen aber alle in den habsburgischen Erbländern.
Nun brauchten sie auch noch die unverändert unter kaiserlicher Zwangsverwaltung stehende Grafschaft Vaduz um im 'Immerwährenden Reichstag' in Regensburg auf der Fürstenbank Platz nehmen zu können. Aber das war schwierig, weil der Vormund des minderjährigen Grafen Franz Wilhelm III. von Hohenems (Sohn des 1691 gefallenen Oberstleutnants) Graf Franz Maximilian von Königsegg-Aulendorff dem nicht zustimmte, weil Vaduz zum hohenemsischen Fideikommiss (Familienbesitz) gehöre und deshalb nicht veräußert werden dürfe.
Die Lösung war schließlich ein Austausch der Grafschaft Vaduz gegen die wesentlich ertragreichere ostböhmische Herrschaft Bistrau, die die Liechtenstein extra für diesen Zweck gekauft hatten und die Übertragung des Fideikommisses dorthin. Graf Jakob Hannibal kaufte Bistrau 1710 für 234.000 Gulden und verkaufte am 22. Februar 1712 beim Reichshofrat in Wien Vaduz für 290.000 Gulden. Mit der Differenz und den Erträgen aus Bistrau konnten nun die Restschulden der Hohenems, die auf Vaduz und Hohenems lagen (113.000 Gulden) bedient werden und damit die Familienfinanzen saniert.
Am 9. Juni 1712 fand die Huldigung der Untertanen der oberen Landschaft vor dem fürstlichen Landvogt in Vaduz statt.
Fürst Johann Adam besaß damit beide Herrschaften und die Oberländer und die Unterländer waren nach 13 Jahren Trennung wieder unter der selben Landesherrschaft. 

Einen Tag danach verstarb Fürst Johann Adam und vererbte die Grafschaft an den noch minderjährigen Verwandten Joseph Wenzel. Dieser tauschte sie 1718 an seinen Onkel Fürst Johann Adam Andreas I., den neuen Chef des Hauses, gegen die (1681 um 270.000 Gulden erworbene) böhmische Herrschaft Rumburg.
Johann Adam fügte Vaduz und Schellenberg dem liechtensteinischen Fideikommiss bei. Damit wurden sie unveräußerlich und immer in der Primogenitur vererbbar.
Am 5. September 1718 wurde der Tausch vollzogen und die Huldigung durchgeführt.

Bereits am 23. Januar 1719 vereinigte Kaiser Karl VI. die Grafschaft Vaduz und die Herrschaft Schellenberg per Diplom zum neuen reichsunmittelbaren 'Fürstentum Liechtenstein', dem damals 343. Mitgliedstaat des 'Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation'. Die regierenden Fürsten von Liechtenstein waren damit bis 1806 erbliche Reichsfürsten.
Sie hatten allerdings keinerlei Interesse an Land und Leuten am Oberrhein und residierten weiterhin in Wien bzw. Mähren.
Das neue Fürstentum bestand damals ausschließlich aus kleinen Bauerndörfern. Deshalb wurde die liechtensteinische Verwaltung in der nahen österreichischen Stadt Feldkirch eingerichtet. Der Fürst kaufte dort eine Brandruine und ließ das barocke 'Palais Liechtenstein' als 'Liechtensteinisches Amtshaus'  errichten (heute Schlossergasse 8). Später wurde die Verwaltung nach Vaduz verlagert und das Palais 1774 verkauft.

Liechtenstein Landkarte

Im Ersten und Zweiten Koalitionkrieg gegen Frankreich wurde Liechtenstein von französischen Truppen besetzt, das benachbarte Vorarlberg mußte 1805 an Bayern abgetreten werden.
1806 nahm der Franzosenkaiser Napoleon Liechtenstein als Gründungsmitglied in den Rheinbund auf, Fürst Johann Joseph Fürst von Liechtenstein, er war österreichischer Feldmarschall, wurde dabei nicht gefragt. Damit wurde Liechtenstein am 1. August 1806 ein unabhängiger Staat. Der Fürst wurde damit ohne sein Zutun Staatsoberhaupt.
Von 1815-1866 war es dann Mitglied des 'Deutschen Bundes' und stand 1866 auf Seiten des Bundes und Österreichs. Da es nie einen Friedensvertrag geschlossen hat befindet es sich immer noch im Kriegszustand mit Preußen. Dieses gibt es allerdings seit 1945/47 nicht mehr.
Erst 1939, nach der reichsdeutschen Okkupation Wiens, verlegte der damals regierende Fürst Franz Josef II. seinen Sitz nach Vaduz.
Heute ist Liechtenstein als Steueroase bekannt, die Bevölkerung hat sich seit 1901 auf nun 38.000 Menschen mehr als verfünffacht.

Das hier ist natürlich nur ein kurzer schematischer Überblick.

Alle Leser sind herzlich eingeladen, mir Ergänzungen mitzuteilen und mich auf Fehler und Irrtümer meinerseits aufmerksam zu machen.

Günter Ofner
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Kategorie: Streiflichter aus Alt-Österreich
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