Diese Ballade stammt vom österreichischen Schriftsteller, Lyriker und Publizisten Johann Nepomuk VOGL (* 7. Februar 1802 in Wien; † 16. November 1866 in Wien).

Sie beschreibt das Wirken des Bischofs Leopold Karl Kollonitsch, der sich nach der Entsatzschlacht vor Wien 1683 um mehrere hundert Waisenkinder gekümmert hat.

Auch nachzulesen unter Balladen und Romanzen von Johann N. Vogl, Wien 1841 ab Seite 1

 

So beschrieb 132 Jahre später (1815) Leopold CHIMANI (1774–1844) in seinen in Wien erscheinenden „Vaterländischen Unterhaltungen“ die Situation:

"Menschenliebe des Bischofes Kollonitsch

Während die ganze Armee im Lager nach Beute griff, war der würdige Bischof Kollonitsch nur damit beschäftigt, jene hülflosen Kinder, deren Ältern unter den unglücklichen Gefangenen als das Opfer der feindlichen Wuth gefallen waren, aufzusuchen und Älternstelle an ihnen zu vertreten. Er fand gegen 500 solche verlassene Waisen. Unbeschreiblich war der Jammer und das Elend, in dem er manche antraf. Da lagen einige über die Leiber ihrer ermordeten Mütter, und saugten, dem Hungertode nahe, Blut statt Milch aus ihren Brüsten. Andere wühlten in der Erde herum, und vermochten vor Hunger und Ermattung kaum mehr zu athmen. Der würdige Priester schloß sie in seine Arme, bezahlte Leute, die sie in die Stadt tragen mußten, sorgte mit großen Kosten für Wohnung und Verpflegung, und ließ auch nachher noch viele derselben zu nützlichen Bürgern des Staates erziehen. Kaiser Leopold war über die menschenfreundliche Aufopferung dieses Bischofs so gerührt, daß er ihm zum Lohne die Cardinals-Würde vom Papste erwirkte.“

Nachzulesen unter Vaterländische Unterhaltungen, Erster Theil, Wien 1815, Seite 65

 

Die Sieger von Wien

Es sitzen in Wien im Kaisersaal
Die Fürsten und Helden in reicher Zahl.

Sie haben entsetzt die bange Stadt,
Nach der so gelüstet den Heiden hat.

Und als nun zu Ende das reiche Mahl
Und freudig geleeret der Sieg'spokal,

Spricht einer: „Genug nun mit Sang und Klang!
Nun sagt wer die beste Beute errang?"

Entgegnet ein Pohle: „Des Sultans Gold
Hab ich mir aus seinem Zelte geholt".

Ein Lothringer d'rauf: „Sein stolzes Panier
Erkämpft' ich mit blut'gem Degen mir".

Ein Wiener sodann: „Manch reiches Gewand
Entriß ich den Flücht'gen mit dieser Hand".

Ein And'rer: „Gewaffen, so Helm und Speer
Errang ich und derlei Gezeug's noch mehr."

Ein Fünfter: „Ich wählte in aller Eil',
Kamehle und Pferde zu meinem Theil."

So wußte ein jeder nach seiner Art
Zu sagen, was ihm für 'ne Beute ward.

Nur Einer im Kreise der Sieger saß,
Der über die andern das Wort vergaß.

„Wie stumm doch, Herr Bischof? bekennt auch Ihr,
Mich dünkt, Ihr erranget das Geringste schier."

Herr Kollonitsch, also der Bischof hieß,
Entgegnet mit Lächeln: „Eins ist gewiß,

Was ihr auch erlangt durch des Heiden Flucht,
Nach meiner Beute hat keiner gesucht."

Und doch ist's das Köstlichste in der That,
Was einer erobert vom Schlachtfeld hat."

Drauf winkt er den Dienern, auf thut sich das Thor,
Da dränget ein Heer sich von Kindern hervor,

Von Knaben und Mägdlein, so zart und hold,
Die Wangen wie Röslein, die Locken wie Gold.

Die sinken auf's Knie vor dem Gottesmann,
Und schmiegen mit Weinen an ihn sich an.

„Das ist meine Beute!" der Bischof sagt;
„Nach der hat nicht einer von euch gefragt.

"Ich fand sie verlassen, in Harm und Noth,
Erwürgt ihre Mütter, die Väter todt."

"Da führt' ich sie alle nach Wien herein,
Und will den Verwaisten ein Vater sein!"

Und als er zu ihnen gesagt dies Wort,
Da schwiegen beschämt wohl die Anderen dort;

Denn was sie auch alle nach Haus gebracht
Nicht glich es der Beute, die er gemacht.

 

Lesen Sie dazu auch den Artikel: Mein Vorfahre der Kardinal